Beiträge

Immer häufiger werden Arbeitgeber von Versicherungsvertretern, Versicherungsmaklern, Steuerberatern, Rentenberatern oder Rechtsanwälten darauf aufmerksam gemacht, dass sie eine „Versorgungsordnung“ benötigen. Dieser kurze Beitrag soll einen Überblick geben, was genau eine Versorgungsordnung ist und warum in den meisten Fällen eine Versorgungsordnung für die meisten Arbeitgeber tatsächlich sinnvoll ist.

Der Begriff Versorgungsordnung

Der Begriff Versorgungsordnung ist in (fast) keiner gesetzlichen Regelung zu finden. Er wird für die Bezeichnung eines Regelwerks zur betrieblichen Altersversorgung eines Unternehmens verwendet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer Versorgungsordnung, welche die vom Arbeitgeber finanzierte betriebliche Altersversorgung regelt und einer Versorgungsordnung, welche die durch Entgeltumwandlung (und ggf. einen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung) finanzierte betriebliche Altersversorgung regelt. Möglich ist es auch, sowohl die arbeitgeberfinanzierte als auch die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung in einer einheitlichen Versorgungsordnung zu regeln.

Der Begriff Versorgungszusage

Der Begriff Versorgungsordnung ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff Versorgungszusage. Allerdings kann bei der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung die Bekanntgabe der Versorgungsordnung an die versorgungsberechtigten Mitarbeiter eine Versorgungszusage darstellen (näher hierzu unten). Eine Versorgungszusage begründet einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung. Der Begriff Versorgungszusage und findet sich vielfach in gesetzlichen Regelungen, insbesondere im Betriebsrentengesetz. Dort wird an mehreren Stellen an den Zeitpunkt der Erteilung einer Versorgungszusage angeknüpft, etwa bei der Regelung zur gesetzlichen Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft (§ 1b BetrAVG), dem Eintritt des gesetzlichen Insolvenzschutzes  (§ 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG) und bei Übergangsregelungen (§ 30b BetrAVG, § 30c Abs. 1 und Abs. 3 BetrAVG, § 30e Abs. 1 BetrAVG, § 30f BetrAVG, 30g Abs. 2 BetrAVG, § 30h BetrAVG).

Rechtsbegründungsakte

Von einer Versorgungsordnung wird zumeist nur bei den Rechtsbegründungsakten Gesamtzusage und Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung gesprochen. Ist ein Betriebsrat bzw. ein Gesamtbetriebsrat vorhanden, ist die Versorgungsordnung als Betriebsvereinbarung bzw. Gesamtbetriebsvereinbarung zu gestalten. Für leitende Angestellte, auf die das Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG keine Anwendung findet, kann eine Versorgungsordnung als Richtlinie nach dem Sprecherausschussgesetz gefasst werden. Das ist aber selten. Im Bereich des öffentlichen Dienstes nimmt der Personalrat eine ähnliche Funktion wie der Betriebsrat im Bereich der Privatwirtschaft ein. Die Mitbestimmungsrechte des Personalrats sind in Landesgesetzen geregelt, zum Beispiel in § 80 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes. In der Regel werden bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern mit einem Personalrat Versorgungsordnungen als Dienstvereinbarungen gestaltet.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Wie oben bereits ausgeführt ist die Versorgungsordnung als Betriebsvereinbarung zu fassen, sofern in dem Unternehmen ein Betriebsrat vorhanden ist. Gibt es in dem Unternehmen einen Gesamtbetriebsrat, ist dieser zuständig, § 50 Abs. 1 BetrVG. In dem Fall ist die Versorgungsordnung folglich als Gesamtbetriebsvereinbarung zu gestalten. Der Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat hat allerdings nur zum Teil erzwingbare Mitbestimmungsrechte. Insbesondere kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei entscheiden, ob er überhaupt eine von ihm finanzierte bAV eingeführt, wie der begünstigte Personenkreis definiert wird (unter Wahrung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes), über welchen Durchführungsweg und über welchen Versorgungsträger die betriebliche Altersversorgung durchgeführt wird und wie hoch der Dotierungsrahmen ist. Welche erzwingbare Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat hat, ist grundsätzlich abhängig vom Durchführungsweg.  Unabhängig vom Durchführungsweg sind stets die Verteilungsgrundsätze der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Versorgungsmittel mitbestimmungspflichtig.

Die Versorgungsordnung zur arbeitgeberfinanzierten bAV

Sagt der Arbeitgeber in der Versorgungsordnung der gesamten Belegschaft oder Teilen der Belegschaft eine betriebliche Altersversorgung zu, stellt die Bekanntgabe der Versorgungsordnung an die Arbeitnehmer grundsätzlich eine Versorgungszusage dar. Wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds durchgeführt wird, gilt gemäß § 1b Abs. 2 Satz 4 bzw. Abs. 3 Satz 2 BetrAVG als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage der Beginn des Direktversicherungsvertrags. Werden in einer Versorgungsordnung zur arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung Aufnahmevoraussetzungen bestimmt, kommt es hinsichtlich der Frage, ob mit der Bekanntgabe der Versorgungsordnung eine Versorgungszusage erteilt wird, darauf an, ob es sich hierbei um statusbezogene Aufnahmevoraussetzungen oder zeitbezogene Aufnahmevoraussetzungen handelt. Bei statusbezogenen Aufnahmevoraussetzungen, wie etwa der Position oder der ausgeübten Tätigkeit im Unternehmen oder dem Eintritt in das Unternehmen bis zu einem bestimmten Stichtag, ist die Versorgungszusage erst mit Erfüllung der Aufnahmevoraussetzungen erteilt. Bei zeitbezogenen Aufnahmevoraussetzungen, sog. „Vorschaltzeiten“, wie etwa dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit, ist die Versorgungszusage bereits mit Aufstellung der zeitbezogenen Aufnahmevoraussetzungen erteilt. Heißt es in der Versorgungsordnung beispielsweise:

Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zwei Jahren haben Anspruch auf betriebliche Altersversorgung gemäß dieser Versorgungsordnung

ist einem neu eintretenden Arbeitnehmer die Zusage bereits mit dem Versprechen, in zwei Jahren eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung zu erhalten, als Versorgungszusage im rechtlichen Sinne zu sehen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Versorgungszusage erteilt, wenn dem Arbeitgeber nach der „Zusage einer Zusage“ keinen Entscheidungsspielraum mehr hat, ob er die Zusage nach Ablauf der Vorschaltzeit erteilt oder nicht. Der Zusagebeginn kann wegen des Erwerbs einer gesetzlichen Unverfallbarkeit gemäß § 1b Abs. 1 BetrAVG von erheblicher Bedeutung sein.

Die Versorgungsordnung zur arbeitnehmerfinanzierten bAV

Werden in einer Versorgungsordnung die Regeln für die Umwandlung von Bruttoentgelt zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung bestimmt, kann die Versorgungsordnung nicht gleichzeitig auch die Versorgungszusage darstellen. Vielmehr wird die Versorgungszusage erst durch die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarung erteilt. Bei einer Zusage über den Durchführungsweg Direktversicherung ist dann gemäß § 1b Abs. 2 Satz 4 BetrAVG der Versicherungsbeginn der Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage.

Gemäß § 1a Abs. 1 BetrAVG haben Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltumwandlung zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitgeber muss daher stets damit rechnen, dass er eine betriebliche Altersversorgung gewähren muss. Im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes hat der Gesetzgeber durch Einfügung des Absatzes 1a in § 1a BetrAVG geregelt, dass Arbeitnehmer die Entgelt zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung umwandeln, Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 % des Umwandlungsbetrages haben, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Hierdurch ist der Anreiz für die Arbeitnehmer, ihren Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend zu machen, deutlich gestiegen. In einer Versorgungsordnung kann der Arbeitgeber (ggf. unter Mitwirkung des Betriebsrats) Regelungen zum Arbeitgeberzuschuss treffen. Er kann zum Beispiel regeln, dass der Zuschuss unabhängig von der tatsächlichen Sozialabgabenersparnis pauschal 15 % beträgt. Sinnvoll ist darüber hinaus eine Regelung zu bereits vor dem 01.01.2019 durch Entgeltumwandlung finanzierte Versorgungszusagen (für die erst ab dem 01.01.2022 eine gesetzliche Zuschusspflicht bestehen kann, § 26a BetrAVG). Darüber hinaus sollte in der Versorgungsordnung ein Maximalzuschuss bestimmt werden.

Zweckmäßige Regelungen in einer Versorgungsordnung zur arbeitnehmerfinanzierten bAV

Folgende Fragen sollten in einer Versorgungsordnung zur Entgeltumwandlung beantwortet werden:

Wie oben bereits erwähnt, ist es bei mittelbarer Durchführung der betrieblichen Altersversorgung insbesondere zweckmäßig, in der Versorgungsordnung festzulegen, über welchen Versorgungsträger die durch Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung durchgeführt wird. Sofern der Arbeitnehmer keine Einschränkung bezüglich des Versorgungsträgers macht, besteht beispielsweise beim Durchführungsweg Direktversicherung eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer Vertragspartner von mehreren, ihm möglicherweise nicht bekannten Lebensversicherungsunternehmen wird.

Regelungspunkte bei arbeitgeberfinanzierter Versorgung:

In einer Versorgungsordnung zur Regelung der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung ist es wichtig, zu bestimmen, ob alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung erhalten oder lediglich ein Teil der Belegschaft. Sofern nicht alle Arbeitnehmer versorgungsberechtigt sein sollen, müssen die Abgrenzungskriterien freilich wirksam sein. Insbesondere dürfen sie nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Darüber hinaus ist in der Versorgungsordnung zu bestimmen, wie hoch die Versorgungsleistungen (bei einer Leistungszusage) und/oder die Versorgungsbeiträge (bei einer beitragsorientierten Leistungszusage, einer Beitragszusage mit Mindestleistung oder einer reinen Beitragszusage) sind. Zudem empfiehlt es sich, eine wirksame Regelung für in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer aufzustellen und zu bestimmen, was passiert, wenn der Arbeitnehmer bei fortlaufender Beschäftigung kein Entgeltanspruch mehr hat, etwa bei Wegfall der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, bei Inanspruchnahme von Eltern- oder Pflegezeit, unbezahltem Urlaub oder eines unbezahlten Sabbaticals.

Gibt es für Arbeitgeber eine Pflicht, eine Versorgungsordnung zu haben?

Teilweise wird die Auffassung vertreten, jeder Arbeitgeber sei verpflichtet, eine Versorgungsordnung zu haben. Diese Auffassung ist zwar nicht richtig. Allerdings erleichtert eine Versorgungsordnung Arbeitgebern, gesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen. Gemäß dem § 2 des Nachweisgesetzes ist der Arbeitnehmer über alle Bestandteile des Arbeitsentgelts schriftlich zu informieren. Zum Arbeitsentgelt gehört auch eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung sowie Arbeitgeberzuschüsse zur Entgeltumwandlung. Der Arbeitgeber kann seine Pflichten aus dem Nachweisgesetz in der Regel durch Aushändigung einer Kopie der Versorgungsordnung und ggf. der schriftlichen Entgeltumwandlungsvereinbarung erfüllen. Darüber hinaus können Arbeitgeber ihre Pflicht gemäß § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG, wonach sie dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen mitteilen müssen, „ob und wie eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung erworben wird“, in der Regel durch Verweis auf die Versorgungsordnung erfüllen.

Wer darf eine Versorgungsordnung erstellen?

Einige Lebensversicherungsunternehmen bieten Arbeitgebern an, eine Versorgungsordnung zur Verfügung zu stellen. Diesbezüglich ist allerdings zu beachten, dass die Erstellung einer individuellen Versorgungsordnung eine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) darstellt. Rechtsdienstleistungen dürfen grundsätzlich nur Rechtsanwälte erbringen. Eine Beratung zur betrieblichen Altersversorgung und damit die Erstellung einer Versorgungsordnung ist darüber hinaus registrierten Rentenberatern erlaubt. Versicherungsgesellschaften und Versicherungsvertretern, Versicherungsmaklern sowie Steuerberatern ist es hingegen gemäß dem RDG nicht gestattet, individuelle Versorgungsordnungen zu erstellen.

Was kostet die Erstellung einer Versorgungsordnung?

Die Höhe des Honorars für eine rechtsanwaltlich erstellte Versorgungsordnung hat eine weite Bandbreite und ist abhängig von den individuellen Gegebenheiten und den Gestaltungswünschen des Arbeitgebers. Zur Ermittlung des Honorars für die Erstellung einer Versorgungsordnung für die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung  hat Heldt | Zülch einen Erhebungsbogen entwickelt. Fordern Sie unseren Erhebungsbogen einfach per E-Mail bei uns an und schicken ihn ausgefüllt an uns zurück. Wir unterbreiten Ihnen dann unter Berücksichtigung des Erhebungsbogens kurzfristig und unverbindlich ein Angebot für die Erstellung einer Versorgungsordnung für die betriebliche Altersversorgung Ihres Hauses.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, Lüneburg

Nach den beiden Urteilen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21.04.2009 (Az.: 3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/089) haben viele Betriebsrentner ihre Ansprüche auf eine höhere Betriebsrente vor den Arbeitsgerichten bzw. Landesarbeitsgerichten erfolgreich eingeklagt (vgl. auch den Beitrag „Höhere Betriebsrente für ehemalige Gutverdiener“). Bei einem etwas anders gelagerten Fall wies das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Klage eines Versorgungsanwärters auf Neuberechnung der betrieblichen Altersversorgung mit Urteil vom 08.12.2009 (Az.: 11 Sa 1783/07) ab. Das BAG hat mit seinem Urteil vom 17.01.2012 (Az.: 3 AZR 135/10) über die Revision des Klägers entschieden und auch hier dem zukünftigen Betriebsrentner Recht gegeben.

Dreistufige gespaltene Rentenformel

Anders als bei den, den Urteilen des BAG vom 21.04.2009 zugrunde liegenden Sachverhalten wird in der dem neuen Fall zugrunde liegenden Pensionsordnung in der Formel zur Berechnung der Versorgungsleistungen nicht unmittelbar auf die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) abgestellt. Auch handelt es sich bei der Berechnungsformel nicht um eine klassische zweistufige gespaltene Rentenformel, welche für Teile des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der BBG einen höheren Versorgungsprozentsatz vorsieht, als für das versorgungsfähige Einkommen bis zur BBG. Die vom aktuellen BAG-Urteil begutachtete Versorgungsordnung beinhaltete vielmehr drei verschiedene Versorgungsprozentsätze:

  • 0,25 % für den Teil des pensionsfähigen Einkommens der 69.050,00 DM  (= 35.304,70 Euro) nicht übersteigt,
  • 1,90 % für den Teil des pensionsfähigen Einkommens der über 69.050,00 DM (= 35.304,70 Euro) liegt und nicht mehr als 138.100,00 DM (= 70.609,41 Euro) beträgt und
  • 1,75 % für den Teil des pensionsfähigen Einkommens der 138.100,00 DM (= 70.609,41 Euro) übersteigt.

Anpassung der Grenzwerte durch den Arbeitgeber

Dem Arbeitgeber war es gemäß der Versorgungsordnung allerdings gestattet, die beiden o.g. Grenzwerte entweder entsprechend des jährlichen Anstiegs der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten eines Vier-Personen-Haushalts mit mittlerem Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland (heute Verbraucherpreisindex für Deutschland) oder entsprechend des jährlichen Anstiegs der „Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung“ nachträglich anzuheben. Von dieser Möglichkeit machte der beklagte Arbeitgeber auch regelmäßig Gebrauch. Mit Schreiben vom 07.05.2004 informierte er die Versorgungsberechtigten, dass die Grenzwerte entsprechend des Anstiegs der Beitragsbemessungsgrenze zum Jahr 2003 angehoben werden würden. Hierbei legte der beklagte Arbeitgeber den Anstieg der tatsächlichen Beitragsbemessungsgrenze von monatlich 4.500,00 Euro auf monatlich 5.100,00 Euro zugrunde, mithin einen Steigerungssatz von 13,3 %. Er berücksichtigte also neben der regulären Erhöhung auch den sog. BBG-Sprung, der aufgrund der Einfügung des § 275c in das 6. Sozialgesetzbuch erfolgte. Allerdings – so teilte der Arbeitgeber den Versorgungsberechtigten mit – würden die Grenzwerte nicht in einem Schritt erhöht, sondern über fünf Jahr verteilt.

Klageabweisung durch das LAG Niedersachsen

Der Kläger wehrte sich mit seiner am 21.02.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen den starken Anstieg der in der Rentenformel bestimmten Grenzwerte. Hierdurch würde er in seiner betrieblichen Altersrente erhebliche Einbußen erleiden, die nicht durch eine höhere gesetzliche Rente ausgeglichen werden würden. Zu beachten sei, dass die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Umfang von 500,00 Euro monatlich nicht entsprechend der Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte erfolgte. Der Teil des Anstiegs der BBG, der auf die außerplanmäßige Erhöhung nach § 275 c SGB VI beruhe, dürfe vielmehr bei der Bestimmung der Grenzwerte nicht mit berücksichtigt werden. Nachdem der Kläger vor dem Arbeitsgericht noch obsiegt hatte, wies in der Berufung das LAG Niedersachsen die Klage mit Urteil vom 08.12.2009 ab. Als Begründung führte es in erster Linie an, dass die Auswirkung des „BBG-Sprungs“ in dem zu entscheidenden Fall verhältnismäßig gering war, nämlich unter 5 % des gesamten Versorgungsvolumens. Bei solch geringen Einbußen bestehe zu einer ergänzenden Vertragsauslegung kein Anlass, so die niedersächsischen Richter.

BAG entscheidet zugunsten des Versorgungsanwärters

Dies beurteilte das Bundesarbeitsgericht anders und gab der Revision des zukünftigen Betriebsrentners statt. Es verwies auf seine Urteile vom 21.04.2009 und bestätigte ausdrücklich, dass der Begriff der „Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung“ in der zugrunde liegenden Versorgungsordnung mit dem Prinzip der Anhebung der BBG entsprechend der tatsächlichen durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsentwicklung im Sinne des § 159 SGB VI verbunden ist. Die Erhöhnung der Grenzwerte in der dreistufigen Rentenformel dürfe sich daher nicht an dem tatsächlichen auf Grund des Beitragssicherungsgesetzes außerplanmäßig besonders hoch ausgefallenen Anstieg der BBG im Jahr 2003 orientieren, sondern lediglich entsprechend § 159 SGB VI an der Steigerung der durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte.

Praxistipp

Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel können unter folgenden Voraussetzungen relevant sein:

  1. Die versorgungsbegründende Zusage, z.B. Betriebsvereinbarung oder Gesamtzusage (oft als „Ruhegeldordnung“, „Versorgungsrichtlinien“ oder „Pensionsplan“ bezeichnet) muss vor dem Jahr 2003 vereinbart bzw. erstellt worden sein.
  2. Der erstmalige Bezug der betrieblichen Altersrente muss nach dem 31.12.2002 erfolgt sein.
  3. Die Höhe der Betriebsrente muss sich zumindest mittelbar an der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) orientieren.
  4. In der Regel muss das anrechungsfähige Gehalt oberhalb der bei Rentenbeginn gültigen BBG liegen.

Verjährung

Gemäß § 18a des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) in Verbindung mit § 195 BGB verjähren die Ansprüche auf die wiederkehrenden Betriebsrentenzahlungen innerhalb von drei Jahren. Das sog. Rentenstammrecht dagegen verjährt erst in 30 Jahren.

Wenn Sie Fragen zur betrieblichen Altersversorgung haben, unterstützen wir Sie gerne. Insbesondere können wir für Sie überprüfen, ob die betriebliche Altersrente nach Maßgabe der Urteile des Bundesarbeitsgerichts korrekt berechnet wurde. Rufen Sie uns einfach an oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir beraten Sie gerne.

Jan Zülch, Rechtsanwalt, Arbeitsrecht und betriebliche Altersversorgung, Hamburg / Lüneburg

Nachtrag:

Dieser Artikel ist nicht mehr aktuell. Mit Urteilen vom 23.04.2013 (Aktenzeichen 3 AZR 531/11, 3 AZR 23/11, 3 AZR 24/11, 3 AZR 512/11, 3 AZR 513/11 und 3 AZR 475/11) ist das BAG nämlich von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Umgang mit gespaltenen Rentenformeln, die sich an der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) orientieren, abgekehrt (vgl. zur bisherigen Rspr. des BAG insbes. dessen Urteile vom 21.04.2009 – 3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08).

Zwar liegen die Urteilsbegründungen noch nicht vor. In einer Pressemitteilung des BAG heißt es jedoch, dass sich eine höhere Betriebsrente aufgrund der außerordentlichen Anhebung der BBG zum 01.01.2003 allenfalls über § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) ergeben könne. Hierfür ist erforderlich, dass dem Betriebsrentner ein Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unzumutbar ist. Dies dürfte jedoch bei einem Absinken der betrieblichen Altersrente aufgrund eines „BBG-Sprungs“ nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein.

26.04.2013