Gemäß § 109 GewO, § 630 S. 4 BGB hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. Auch Auszubildenden und Praktikanten muss der Arbeitgeber ein Zeugnis ausstellen. Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses ist vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine vertragliche Vereinbarung abdingbar. Wird in einem Aufhebungsvertrag bestimmt, dass mit Abschluss des Aufhebungsvertrages alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten und erledigt sind, bleibt der Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers dennoch bestehen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über den notweniges Inhalt eines Arbeitszeugnisses, die besondere Zeugnissprache und die Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gegeben werden.
Qualifiziertes Arbeitszeugnis
Ein qualifiziertes Zeugnis zeichnet sich dadurch aus, dass es neben Angaben zur Person des Arbeitnehmers und der Art und Dauer der Tätigkeit auch Angaben zu Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers enthält. Hierbei muss der Arbeitgeber den Grundsatz der Zeugniswahrheit beachten. Er ist allerdings zu einer wohlwollenden Beurteilung verpflichtet, um dem Arbeitnehmer den weiteren Lebens- und Arbeitsweg nicht zu erschweren (LAG Hamm, NZA-RR 1998, Urteil vom 27.02.1997 – 4 Sa 1691/96).
Äußere Form
Das Zeugnis muss auf haltbarem Papier von guter Qualität ausgestellt sein. Sofern im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet werden und verwendet auch der Arbeitgeber solches Geschäftspapier, so ist das Arbeitszeugnis nur dann ordnungsgemäß, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist (BAG, Urteil vom 03.03.1993 – 5 AZR 182/92). Das Zeugnis muss zudem sauber und ordentlich geschrieben sein und darf keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Durchstreichungen oder ähnliches enthalten. Darüber hinaus darf es grundsätzliche keine Rechtschreibfehler enthalten (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.04.2019 – 2 Sa 187/18). Das Zeugnis darf gefaltet sein, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, zum Beispiel durch Schwärzungen (BAG, Urteil vom 21. 9. 1999 – 9 AZR 893/98). Darüber hinaus darf das Arbeitszeugnis auch „gelocht“ sein – jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber ausschließlich über gelochtes Geschäftspapier verfügt (LAG Nürnberg, Urteil vom 11.07.2019 – 3 Sa 58/19).
Leistungsbeurteilung
Im Rahmen der Leistungsbeurteilung wird in der Regel auf folgende Punkte eingegangen:
- die Qualität der Arbeit
- die Auffassungsgabe
- den Arbeitserfolg
- die Vielseitigkeit
- die Arbeitsökonomie
- das Arbeitstempo
- die Schwierigkeit der Aufgabenstellungen
- besondere Fachkenntnisse, die Arbeitsbereitschaft
- die Selbständigkeit
- die Belastbarkeit
- die Eigeninitiative
- die Entscheidungsfähigkeit
- das Urteils- und Ausdrucksvermögen und
- das Verhandlungsgeschick
Hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Leistung des Arbeitnehmers wird in der Praxis eine fünfstufige Notenskala verwendet. Im Folgenden ist aufgeführt, welcher Note bestimmte Zeugnisaussagen entsprechen:
stets zu unserer vollsten Zufriedenheit | Sehr gute Leistung |
stets zu unserer vollen Zufriedenheit | Gute Leistung |
zu unserer vollen Zufriedenheit | Durchschnittliche Leistung |
stets zu unserer Zufriedenheit | Durchschnittliche Leistung |
zu unserer Zufriedenheit | Unterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistung |
im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit | Mangelhafte Leistung |
hat sich bemüht, die übertragene Arbeit zu unserer Zufriedenheit zu erledigen | Mangelhafte Leistung |
führte die ihr/ihm übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse durch | Mangelhafte Leistung |
Verhaltensbeurteilung
Angaben zum Verhalten des Arbeitnehmers dürfen in einem qualifizierten Arbeitszeugnis nicht fehlen. Andernfalls könnte der Leser hieraus negative Schlüsse ziehen. Auch hinsichtlich der Verhaltensbeurteilung hat sich eine Notenscala herausgebildet – wenngleich noch nicht so deutlich wie bei der Leistungsbeurteilung. Das LAG Hamm hat in seinem Urteil vom 28.03.2000 (Az. 4 Sa 1578/99) folgende Tabelle herausgearbeitet:
Das Verhalten zu Vorgesetzten, Arbeitskollegen und Kunden …
... war stets vorbildlich | Sehr gute Führung |
... war vorbildlich | Gute Führung |
... war stets einwandfrei | Vollbefriedigende Führung |
... war einwandfrei | Befriedigende Führung |
... war ohne Tadel | Ausreichende Führung |
... gab zu keiner Klage Anlass | Mangelhafte Führung |
Über … ist uns nichts Nachteiliges bekannt geworden. | Unzureichende Führung |
Geheimsprache
Oftmals ist von einer Geheimsprache zu hören, die beim Verfassen des Zeugnisses verwendet wird. Gemäß § 109 Abs. 3 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Dennoch werden hin und wieder unzulässige „codierte“ Formulierungen verwendet. Einige Beispiele:
- „Sie kümmerte sich um die Belange der Belegschaft“ = Sie war Betriebsratsmitglied.
- „Er war sehr gesellig“ = Er hatte ein Alkoholproblem.
- „Sie bewies für die Belange der Belegschaft stets Einfühlungsvermögen“= Sie suchte Sexualkontakte im Betrieb.
- „Mit ihren Vorgesetzten ist sie gut zurechtgekommen“ = Sie war eine Mitläuferin und Ja-Sagerin.
- „Er verfügt über Fachwissen und hat ein gesundes Selbstvertrauen“ = Er überspielt mit Arroganz sein mangelndes Fachwissen.
- Er war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen = Er war ein unangenehmer Zeitgenosse und Wichtigtuer, dem es an Kooperationsbereitschaft fehlte.
- Sie ist eine anspruchsvolle und kritische Mitarbeiterin = Sie war eigensüchtig, pocht anderen gegenüber auf ihre Rechte und nörgelt gerne.
- Wir lernten sie als umgängliche Kollegin kennen = Viele Mitarbeiter sahen sie lieber von hinten als von vorn.
- Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter = Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.
Schlussformel
Es wird negativ gesehen, wenn in dem Zeugnis eine Schlussformel fehlt, in der der Arbeitgeber sein Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers ausdrückt, sich bei ihm bedankt und ihm alles Gute für die Zukunft wünscht. Allerdings hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Schlussformel (BAG, Urteil vom 25.01.2022 – 9 AZR 146/21). Hat der Arbeitgeber jedoch einmal Dank, Bedauern und gute Wünsche im Arbeitszeugnis ausgesprochen, darf er aufgrund des Maßregelungsverbots gemäß § 612a BGB davon nicht mehr abrücken, wenn der Arbeitnehmer mehrmals von ihm eine Zeugniskorrektur verlangt (BAG, Urteil vom 06.06.2023 – 9 AZR 272/22).
In nachstehend aufgeführter Tabelle ist die Bedeutung von in der Schlussformel eines Arbeitszeugnisses genannten Wünschen aufgeführt.
Wir wünschen ihr/ihm …
... auf ihrem/seinem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin recht viel Erfolg | Sehr gut |
... auf ihrem/seinem weiteren Berufsweg alles Gute und viel Erfolg | Gut |
... auf ihrem/seinem weiteren Berufsweg alles Gute und Erfolg | Vollbefriedigend |
... auf ihrem/seinem weiteren Berufsweg alles Gute | Befriedigend |
... alles Gute | Ausreichend |
... alles Gute und in Zukunft auch Erfolg | Mangelhaft |
... für die Zukunft alles nur erdenklich Gute | Unzulänglich |
Ausstellungsdatum
Ein qualifiziertes Arbeitsendzeugnis ist grundsätzlich auf den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu datieren, nicht hingegen auf den Tag, an dem das Arbeitszeugnis tatsächlich erstellt worden ist (LAG Köln, Beschluss vom 27.03.2020 – 7 Ta 200/19).
Gerichtliche Geltendmachung
Hinsichtlich der gerichtlichen Geltendmachung ist zu differenzieren: Hat der Arbeitgeber überhaupt kein Zeugnis erteilt, richtet sich der Klageantrag auf die Erstellung des qualifizierten Zeugnisses. Eine konkrete Formulierung darf der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Klage jedoch nicht vorgeben.
Geht es dagegen um die Korrektur eines erteilten Zeugnisses, ist im Klageantrag im Einzelnen anzugeben, was in welcher Form geändert werden soll. Bei einem Streit um die Gesamtleistungsbewertung liegt die Darlegungs- und Beweislast nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beim Arbeitnehmer, wenn er eine bessere Beurteilung als „zur vollen Zufriedenheit“ durchsetzen will (BAG, Urteil vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13).
Praxistipp
Wer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch kein qualifiziertes Arbeitszeugnis erhalten hat, sollte nicht zu lange mit der Geltendmachung zögern. Zwar unterliegt der Anspruch auf Zeugniserteilung der 3-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Eine vom Einzelfall abhängige Verwirkung des Anspruchs kann jedoch erheblich früher eintreten.
Bei der Überprüfung Ihres Arbeitszeugnisses oder der Geltendmachung Ihres Anspruchs auf Zeugniserteilung unterstützen wir Sie gerne. Rufen Sie einfach an (040 – 371577) oder schreiben Sie uns eine E-Mail.
Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg