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In Elternzeit befindliche Arbeitnehmer* können von ihrem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, ihre bisherige Tätigkeit in einem Umfang von 15 bis 30 Wochenstunden während der Elternzeit auszuüben. Dieser Anspruch ist in § 15 Abs. 7 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzt (BEEG) bestimmt. In diesem Artikel werden die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit erläutert. Insbesondere soll in dem Artikel auch herausgestellt werden, in welchen Fällen der Arbeitgeber eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ablehnen kann.

Vereinbarungslösung

Gemäß § 15 Abs. 5 S. 1 – 3 BEEG soll der Arbeitnehmer zunächst versuchen, eine einvernehmliche Regelung über eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herbeizuführen. Wird eine solche einvernehmliche Regelung getroffen, sind sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer daran gebunden.

Einseitiges Verfahren

Können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit einigen, kann der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber unter den folgenden Voraussetzungen die Zustimmung für eine Teilbeschäftigung während der Elternzeit verlangen.

  1. Der Arbeitgeber muss in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen. Auszubildende sind hierbei nicht mitzuzählen. Unerheblich ist, ob die beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer in Vollzeit oder in Teilzeit beschäftigt sind. Die Voraussetzung ist also auch dann erfüllt, wenn ein Arbeitgeber in der Regel 16 Teilzeitmitarbeiter beschäftigt.
  2. Das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden haben.
  3. Die Teilzeitbeschäftigung muss mindestens zwei Monate lang erfolgen. Die Wochenarbeitszeit muss zwischen 15 und 30 Stunden liegen.
  4. Dem Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit dürfen keine „dringenden betrieblichen Gründe“ entgegenstehen (Näheres siehe unten).
  5. Der Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit muss spätestens sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn der Teilzeitbeschäftigung gestellt werden. Wird Elternzeit in einem Zeitraum zwischen dem dritten und dem achten Geburtstag des Kindes genommen, beträgt die Frist 13 Wochen (relevant gemäß dem Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz nur bei Elternzeit für ab dem 01.07.2015 geborene Kinder) .
  6. Der Antrag des Arbeitnehmers muss hinreichend bestimmt sein. Hierfür ist erforderlich, dass der Antrag den Beginn und den Umfang der Teilzeittätigkeit enthält (§ 15 Abs. 7 S. 2 BEEG). Darüber hinaus soll der Antrag gemäß § 15 Abs. 7 S. 3 BEEG die Verteilung der Arbeitszeit, also Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie ihre Verteilung auf die Wochentage, angegeben werden. Dies ist jedoch keine Anspruchsvoraussetzung.

Fingierte Zustimmung bei nicht rechtzeitiger Ablehnung

Sofern der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ablehnen will, muss er dies innerhalb von vier Wochen mit schriftlicher Begründung tun. Nach dem Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz gilt die Zustimmung des Arbeitgebers zur beantragten Teilzeitbeschäftigung bei Elternzeit für ab dem 01.07.2015 geborene Kinder als erteilt, wenn der Arbeitgeber die Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht spätestens vier Wochen (acht Wochen bei Betreuung eines Kindes nach dessen dritten Geburtstag) nach Zugang des Antrages schriftlich abgelehnt hat. Dies bedeutet, dass der Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit bei nicht rechtzeitiger schriftlicher Ablehnung zukünftig selbst dann als genehmigt gilt, wenn der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, den Wunsch nach Teilzeit während der Elternzeit abzulehnen.

Inhalt des Ablehnungsschreibens

Die Ablehnung des Elternteilzeitantrags muss unter Einhaltung der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen. In seinem Ablehnungsschreiben hat der Arbeitgeber den wesentlichen Kern der betrieblichen Hinderungsgründe zu benennen. Er muss die Tatsachen mitteilen, die für die Ablehnung maßgeblich sind. Es bedarf dazu aber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts weder einer „schlüssigen“ noch einer „substantiierten“ Darlegung (BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 298/18). Sofern der Arbeitnehmer die Ablehnung nicht akzeptiert und vor dem Arbeitsgericht seinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit geltend macht, darf sich der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren nur auf solche Gründe stützen, die er in seinem form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben genannt hat (BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 298/18).

Dem Antrag auf Teilzeit entgegenstehende dringende betriebliche Gründe

Gemäß § 15. Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG ist Voraussetzung für den Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit, dass dem Anspruch keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Durch die Formulierung im Gesetz wollte der Gesetzgeber deutlich machen, dass im Rahmen einer im Einzelfall ausgerichteten Interessenabwägung für eine berechtigte Ablehnung des Antrags auf Teilzeit ein deutliches Übergewicht der betrieblichen Interessen an der Vermeidung einer Teilzeitbeschäftigung bestehen muss. Die Anforderungen an die betrieblichen Gründe sind insbesondere höher als jene für die Ablehnung eines Anspruches auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Dort werden nämlich lediglich „betriebliche Gründe“ gefordert. Mit dem Begriff „dringend“ in § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG wird gemäß der Gesetzesbegründung ausgedrückt, dass die entgegenstehenden betrieblichen Gründe „nahezu zwingend“ oder „unabweisbar“ sein müssen. Eine Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung kommt danach nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes als dringender betrieblicher Grund

Beruft sich der Arbeitgeber bei der Ablehnung des Antrages auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit darauf, dass der Arbeitsplatz unteilbar sei, etwa weil der in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer in einer Leitungsfunktion tätig ist, muss er alle Möglichkeiten einer betrieblichen Umorganisation prüfen und überzeugend darlegen, dass eine Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit gegenüber einem vollständigen Ruhen während der Elternzeit nicht durchführbar ist. Hierbei hat er etwaige mit der Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers verbundene betriebliche Schwierigkeiten und möglicherweise erforderliche Überbrückungsmaßnahmen in Kauf zu nehmen.

Berufung auf fehlenden Beschäftigungsbedarf als dringender betrieblicher Grund

Stützt der Arbeitgeber die Ablehnung der beantragten Teilzeitbeschäftigung auf mangelnden Beschäftigungsbedarf, ist gemäß dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 05.06.2007 (Az. 9 AZR 82/07) regelmäßig erforderlich, dass der Arbeitgeber zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungslast seinen Gesamtbedarf an Arbeitszeitkapazität für Aufgaben, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechtes übertragen kann, vorträgt und diesem die tatsächliche Besetzungssituation gegenüber stellt. Insbesondere bei größeren Betrieben könne wegen der dynamischen Entwicklung im Personalbereich durch Fluktuation oder Inanspruchnahme von Elternzeit auf die arbeitgeberseitige Darlegung der oben beschriebenen Gegenüberstellung nicht verzichtet werden. Eine Ausnahme ist allenfalls  bei kleineren Unternehmen oder im öffentlichen Dienst bei einer vorgegebenen Anzahl von Planstellen denkbar.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der dringenden betrieblichen Gründe

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 15.12.2009 (Az. 9 AZR 72/09) entschieden, dass für die Beurteilung der dringenden betrieblichen Gründe auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragsablehnung durch den Arbeitgeber abzustellen ist. Das Arbeitsgericht Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 08.05.2014 (Az. 29 Ca 577/13) hingegen, dass es auf die Umstände zum Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zur Begründung weist es darauf hin, dass in dem vorgenannten Urteil des BAG lediglich thesenartig auf frühere Rechtsprechungen des BAG zum Teilzeitwunsch des § 8 TzBfG außerhalb der Elternzeit verwiesen wird. In § 8 Abs. 6 TzBfG werde jedoch zum Schutz des Arbeitgebers geregelt, dass der Arbeitnehmer erst nach Ablauf von zwei Jahren nach berechtigter Abweisung eines Teilzeitbegehrens wieder einen neuen Antrag stellen kann und betriebliche Veränderungen in der Zwischenzeit daher unbeachtlich sind. Da es eine solche Regelung jedoch in § 15 BEEG nicht gibt, sei für die Beurteilung der Frage, ob dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung maßgeblich.

Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn

Lehnt der Arbeitgeber den arbeitnehmerseitigen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ab, obwohl die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 7 BEEG erfüllt sind, oder beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz nicht rechtzeitiger Ablehnung des Teilzeitantrages nicht, stehen dem Arbeitnehmer Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 BGB zu. Der Arbeitnehmer hat danach Anspruch auf das ihm arbeitsvertraglich zustehende Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen beantragter Wochenarbeitszeit und der im Arbeitsvertrag bestimmten Wochenarbeitszeit. Er muss sich allerdings auf seinen Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 2 BGB das anrechnen lassen, was er in Folge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart, durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Praxistipp

In Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern ist zu empfehlen, dem Arbeitgeber bereits bei Beanspruchung der Elternzeit mitzuteilen, dass ein Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit besteht. Dann muss der Arbeitgeber dies bei seiner Personalplanung berücksichtigen und wird nur in seltenen Fällen berechtigt sein, den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung abzulehnen.

„Betroffenen“ Arbeitgebern, die keinen (Teilzeit-)Beschäftigungsbedarf haben oder bei denen in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer nicht in die Organisationsstruktur passen, ist zu empfehlen, zu versuchen, zusammen mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmlich Lösung zu finden.  Die strikte Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ist wegen der hohen Darlegungslast im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit erheblichen Risiken verbunden. Allerdings kommt es hierbei stets auf den Einzelfall an.

Sofern Sie Fragen zur Elternzeit, insbesondere zum Anspruch auf Teilzeit in Elternzeit haben, unterstützen wir Sie gerne. Sprechen Sie uns einfach an oder schreiben uns eine E-Mail. Bitte

Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg/Lüneburg

*  Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel auf geschlechtsspezifische Doppelnennungen verzichtet.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) hat der Arbeitnehmer die Elternzeit vom Arbeitgeber schriftlich zu verlangen und gleichzeitig zu erklären, für welche Zeiten er „innerhalb von zwei Jahren“ Elternzeit nehmen will. Diese Anforderung ist so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer bei der ersten Inanspruchnahme mindestens den Zweijahreszeitraum abdecken muss. Das trägt dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter 2 Jahren zurück, kann der Arbeitnehmer gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 eine Verlängerung der Elternzeit grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen (vgl. hierzu auch den Beitrag „Verlängerung der Elternzeit – Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich“). Gegen den Willen des Arbeitgebers ist eine Verlängerung der Elternzeit bei der oben genannten Fallgestaltung nur möglich, „wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann“, § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG.

Arbeitgeber muss Entscheidung nach „billigem Ermessen“ treffen

In seinem Urteil vom 18.10.2011 (Az. 9 AZR 315/10) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Zustimmung des Arbeitgebers nicht in dessen freien Belieben steht. Vielmehr hat der Arbeitgeber entsprechend § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob er die zur Verlängerung der Elternzeit nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG erforderliche Zustimmung erteilt. Im Gesetz ist nicht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Zustimmung verweigern darf oder erteilen muss. In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg daraus in seinem Urteil vom 14.10.2010 (Az. 10 Sa 59/09) geschlossen, dass der Arbeitgeber bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs in seiner Entscheidung frei sei, ob er der Verlängerung zustimme. Dieser Auffassung widersprach der 9. Senat des BAG. Wenn ein Gesetz die im Interesse der Eltern notwendige Flexibilisierung der Elternzeit im Einzelfall von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht, dürfe ohne konkrete Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes nicht angenommen werden, die Entscheidung über die Zustimmung stehe im freien Belieben des Arbeitgebers. Aus der Gesetzesbegründung folge zudem, dass der Gesetzgeber mit dem Zustimmungserfordernis lediglich deutlich machen wollte, es solle kein einseitiger Anspruch auf Verlängerung bestehen. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, seine für die in Anspruch genommene Elternzeit getroffenen Dispositionen aufrecht erhalten zu können, sollen einem vorbehaltlosen Rechtsanspruch entgegenstehen. Damit werde deutlich, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, mit dem Zustimmungserfordernis einen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gewährleisten. Dieser werde nur bei entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB ermöglicht. Danach solle der Arbeitgeber durch die Ausübung der ihm vorbehaltenen Zustimmung nach billigem Ermessen darüber entscheiden können, ob die Elternzeit verlängert wird oder nicht.

Empfehlung

Arbeitnehmer, die sich zunächst auf eine Elternzeit von unter 2 Jahren festgelegt haben und die Elternzeit nachträglich verlängern wollen, sollten zunächst prüfen, ob eine Verlängerung ohne Zustimmung des Arbeitgebers gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG verlangt werden kann. Das ist der Fall, wenn die anspruchsberechtigten Eltern einen gegenseitigen Wechsel in den Elternzeiten vorgesehen hatten, der sich plötzlich nicht mehr verwirklichen lässt. Ist ein Fall des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nicht gegeben und versagt der Arbeitgeber berechtigterweise seine Zustimmung, kommt der Arbeitnehmer bei Nichtaufnahme der Tätigkeit nach Ablauf der ursprünglichen Elternzeit in Schuldnerverzug. Er genießt zudem nicht länger den besonderen Kündigungsschutz des § 18 BEEG. Hat der Arbeitgeber dagegen seine Zustimmung ermessensfehlerhaft verweigert, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch vor dem zuständigen Arbeitsgericht geltend machen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nicht die Feststellung verlangt werden kann, dass dem Arbeitnehmer über den ursprünglich bestimmten Zeitpunkt hinaus Elternzeit zustehe. Richtig ist es vielmehr, beim Arbeitsgericht zu beantragen, den Arbeitgeber zu verurteilen, die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit zu erklären.

Wenn Sie Fragen zur Elternzeit haben, rufen Sie uns an oder schreiben uns eine E-Mail. Wir beraten Sie gerne.

 

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

§ 16 Abs. 3 Satz 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) verbietet in Elternzeit befindlichen Müttern, die ein weiteres Kind erwarten, ihre Elternzeit vorzeitig zu beenden, um Mutterschaftsgeld in Anspruch zu nehmen. Diese Vorschrift stellt jedoch einen Verstoß gegen Richtlinien der Europäischen Union dar und ist daher nicht anzuwenden.

Grundsätzliches Zustimmungsbedürfnis bei vorzeitiger Beendigung der Elternzeit

Grundsätzlich ist die Erklärung der Arbeitnehmerin, für welche Zeiten innerhalb der ersten beiden Jahre Elternzeit genommen werden soll, verbindlich (vgl. hier auch den Artikel „Verlängerung der Elternzeit – Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich?“). Will die Arbeitnehmerin die Elternzeit verkürzen oder verlängern, ist sie auf die Zustimmung ihres Arbeitgebers angewiesen. Für die vorzeitige Beendigung der Elternzeit hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 3, Sätze 2 und 3 BEEG besondere Regelungen vorgesehen. In Satz 2 der oben genannten Vorschrift ist bestimmt, dass der Arbeitgeber den Antrag auf Verkürzung der Elternzeit nur bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe ablehnen kann, sofern ein besonderer Härtefall vorliegt oder die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes begehrt wird. Gemäß § 16 Abs. 3  Satz 3 BEEG darf die  Arbeitnehmerin ihre Elternzeit jedoch nicht „wegen der Mutterschutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes vorzeitig beenden“. Eine Ausnahme hierzu gilt für Mütter die während ihrer Elternzeit in zulässigem Umfang in Teilzeittätigkeit gemäß § 15 Abs. 4 BEEG sind.

Exkurs: Mutterschaftsgeld

In den §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind die vorgeburtlichen (6 Wochen) und nachgeburtlichen (grundsätzlich 8 Wochen) Mutterschutzfristen bestimmt. Während der Schutzfristen sowie am Tag der Geburt erhält die Arbeitnehmerin gemäß § 13 Abs. 1 MuSchG i.V.m. § 200 Reichsversicherungsordnung (RVO) Mutterschaftsgeld. Das Mutterschutzgeld beträgt allerdings maximal 13,- Euro pro Tag. Die Differenz zwischen diesem Betrag und dem bisherigen Nettoeinkommen der Arbeitnehmerin wird durch den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 MuSchG gedeckt. Den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld trägt der Arbeitgeber. Er kann ihn sich jedoch vollständig von den Krankenkassen erstatten lassen.

EuGH: Arbeitnehmerin hat Anspruch auf Mutterschaftsurlaub

In seinem Urteil vom 20.09.2007 – C-116/06 (Sari Kiiski / Tampereen kaupunki) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass nationale Bestimmungen, die eine Frau daran hindern, ihre Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub sowie ihre damit verbundenen Rechte geltend zu machen, gegen Europäisches Recht verstoßen. Das oberste Europäische Gericht hatte sich mit der Vorlage eines erstinstanzlichen Gerichts aus Finnland auseinander zu setzen. Dem Fall lag der Antrag einer finnischen Gymnasiallehrerin zugrunde, die aufgrund einer erneuten Schwangerschaft ihren Erziehungsurlaub vorzeitig beenden wollte. Dies ist nach dem finnischen Arbeitsvertragsgesetz jedoch nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes möglich. Gemäß der entsprechenden tariflichen Regelung gilt eine erneute Schwangerschaft jedoch nicht als triftiger Grund.

Gemäß dem oben genannten Urteil des EuGH stehen diesen finnischen Vorschriften europäische Bestimmungen entgegen, nämlich Art. 2 der Richtlinie 76/207/EWG, der hinsichtlich der Arbeitsbedingungen jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts verbietet, und die Art. 8 und 11 der Richtlinie 92/85/EWG, die den Mutterschaftsurlaub betreffen. Es sei nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar, wenn die schwangere Frau den Zeitraum des Elternurlaubs nicht ändern kann, um den ihr zustehenden Mutterschaftsurlaub und die damit verbundenen Rechte in Anspruch zu nehmen, so der EuGH.

Das oben beschriebene Urteil führt auch zur Unanwendbarkeit des § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG. Auch dieser Vorschrift stehen Art. 2 der Richtlinie 76/207/EWG und Art. 8 und 11 der Richtlinie 92/85/EWG entgegen. Dies ist sowohl von der Rechtsprechung (VG Gießen, Urteil vom 18.03.2010 – 5 K 1084/09) als auch in der Fachliteratur (Pepping in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Auflage 2010, § 14 MuSchG, Rn. 30) zwischenzeitlich bestätigt worden.

Empfehlung

Arbeitnehmerinnen, welche sich in Elternzeit befinden und erneut schwanger werden, sollten den Ihnen gesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielraum nutzen. Die Bestimmung in § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG müssen sie dabei nicht beachten. Einen Antrag auf Verkürzung der Elternzeit wegen einer erneuten Schwangerschaft kann der Arbeitgeber nur innerhalb von 4 Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Lehnt der Arbeitgeber nicht form- und fristgerecht ab oder liegen dringende betriebliche Gründe nicht vor, endet die Elternzeit aufgrund der Gestaltungserklärung der Arbeitnehmerin (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.04.2009 – 9 AZR 391/08).

Wenn Sie Fragen zur Elternzeit haben, rufen Sie uns an oder schreiben uns eine E-Mail. Wir beraten Sie gerne.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Nachtrag:

Der oben stehende Artikel wurde vor Verkündung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (17.09.2012) geschrieben. Gemäß dem neu gefassten § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG ist die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zur Erlangung einer bezahlten Freistellung während der Mutterschutzfristen vor und nach der Geburt  eines weiteren Kindes ausdrücklich zulässig. Der neue Wortlaut von § 16 Abs. 3 Satz 3  BEEG lautet wie folgt:

„Die Elternzeit kann zur Inanspruchnahme der Schutzfristen des § 3 Absatz 2 und des § 6 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beendet werden; in diesen Fällen soll die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Beendigung der Elternzeit rechtzeitig mitteilen.“