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In seinem Urteil vom 25.01.2011 (Az. 21 Ca 235/08) hat die 21. Kammer des Arbeitgerichts Hamburg entschieden, dass eine dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende tarifvertragliche Altersbegrenzungsklausel unwirksam sei, weil sie gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dem Urteil vorausgegangen war eine Vorabentscheidung durch den EuGH, nach der die Altersbegrenzungsklausel zumindest nicht gegen europäische Bestimmungen zur Altersdiskriminierung verstößt.

Ablauf des Arbeitsvertrages bei Vollendung des 65. Lebensjahres

Geklagt hatte eine im Rahmen eines sog. Minijobs bei einer Gebäudereinigungsfirma beschäftigte Raumpflegerin. Ihr wurde am 14.05.2008 von ihrer Arbeitgeberin mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats ende. Hiermit war die Klägerin, die im Mai 2008 65 Jahre alt wurde, nicht einverstanden. Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Hamburg begehrte die Klägerin festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31.05.2008 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht (sog. Befristungskontrollklage, auch Entfristungsklage genannt).

Die Beklagte begründet die Beendigung der Beschäftigung in ihrer Klageerwiderung mit einer Bestimmung im Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV). Zwar war die Klägerin nicht Mitglied in der tarifschließenden Gewerkschaft. In ihrem Arbeitsvertrag wurde jedoch durch eine dynamische Verweisungsklausel auf die für das Gebäudereiniger-Handwerk geltenden Tarifverträge Bezug genommen. In dem einschlägigen § 19 RTV heißt es:

„Sofern einzelvertraglich nichts anderes vereinbart ist, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der/die Beschäftigte Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat, […] spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der/die Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet hat.“

Vorabentscheidung durch den EuGH

Das Arbeitsgericht fragte in einem Vorabentscheidungsersuchen vom 21.09.2009 den EuGH, ob § 19 RTV gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verstoße. Dies verneinte der EuGH in seinem  Urteil vom 12.10.2010. Dennoch entschied das Arbeitsgericht Hamburg am 25.01.2011, dass die tarifliche Altersbegrenzungsklausel unwirksam sei. Es liege nämlich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

Der Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 3 Abs. 1 Grundgesetz

Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, dass eine Begünstigung einem bestimmten Personenkreis gewährt wird und einem anderen nicht. Gemäß dem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg ist die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung (Arbeitnehmer bis 65 und Arbeitnehmer ab 65) unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht haltbar. § 19 RTV führe zu einer Ungleichbehandlung, weil die Arbeitsverhältnisse mit 65-jährigen Arbeitnehmern ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes automatisch beendet würden und dadurch bei Erreichen des 65. Lebensjahres der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz entzogen würde. § 19 RTV stellt eine sog. Stichtagsregelung dar. Zwar können Stichtagsregelungen zulässig sein. Die Wahl des Stichtages muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfassen.

Mittelbare Frauendiskriminierung

Als weiteren Aspekt führte das Arbeitsgericht Hamburg an, dass § 19 RTV Frauen mittelbar diskriminiere. Eine mittelbare Diskriminierung ist anzunehmen, wenn eine Regelung günstigere oder nachteilige Rechtsfolgen von Merkmalen abhängig macht, die Angehörige einer geschützten Gruppen signifikant leichter oder schwerer erfüllen können mit der Folge, dass sie von Vor- oder Nachteilen unverhältnismäßig häufiger betroffen sind. Im vorliegenden Fall ist die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern bis 65 und Arbeitnehmer ab 65 geschlechtsneutral formuliert. Nach Auffassung der 21. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg wirke sie sich jedoch geschlechtsspezifisch aus, weil im Gebäudereinigungsgewerbe überdurchschnittlich viele Frauen und überdurchschnittlich viele Teilzeitkräfte (insbesondere im Rahmen von Minijobs) beschäftigt seien. Damit lägen die Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vor.

Keine Rechtfertigungsgründe

Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg ist die Ungleichbehandlung nicht hinreichend gerechtfertigt. § 19 RTV stelle sich nicht als angemessen, nicht als geeignet, nicht als notwendig oder gar zwingend erforderlich und durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt dar. Ein objektives und nicht mit dem Geschlecht zusammenhängendes Bedürfnis für die Bildung der beiden Gruppen sei nicht zu erkennen, so die Hamburger Richter. Der Umstand, dass § 19 RTV Teil eines Kollektivvertrages ist und die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien zu respektieren ist, ändere daran nichts.

Fazit

Ob das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg „hält“, ist ungewiss. Nach dem Urteil des EuGH vom 12.10.2010 schien eine gewisse Rechtssicherheit zu bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit von Altersgrenzenregelungen, die auf die Regelaltersgrenze abstellen. Nun werden sich das Landesarbeitsgericht, wahrscheinlich das BAG und möglicherweise sogar das Bundesverfassungsgericht mit der Frage beschäftigen müssen.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Die Befristung von Arbeitsverträgen ist grundsätzlich zulässig – ohne besondere Rechtfertigung jedoch nur bis zur Dauer von zwei Jahren. Für eine länger andauernde Befristung ist gemäß § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ein sachlicher Grund erforderlich. In § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG sind verschiedene mögliche Sachgründe aufgezählt. Gemäß Ziffer 7 der Vorschrift liegt ein sachlicher Grund dann vor, wenn „der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und er entsprechend beschäftigt wird“.

Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit europäischem Unionsrecht und hat daher den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung über diese Frage ersucht (BAG 27.10.2010 – 7 AZR 485/09 (A)).

Arbeitnehmerin hatte Entfristungsklage eingelegt

Das BAG hatte über eine sog. Befristungskontrollklage (auch Entfristungsklage genannt) zu entscheiden. Die Klägerin war bei dem beklagten Land in der Zeit von Juli 1996 bis Dezember 2006 als Justizangestellte beschäftigt, jeweils auf Grundlage von (insgesamt 13) befristeten Arbeitsverträgen. Maßgeblich für das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG ist stets der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag. Das beklagte Land berief sich darauf, dass der Haushaltplan vorsah, dass für das Jahr 2006 vorübergehend frei werdende Haushaltsmittel für die Beschäftigung von Aushilfskräften in Anspruch genommen werden können.

EU-Richtlinie: Missbräuchliche Kettenbefristungen sind zu vermeiden

Nach § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 sind die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Mit dieser grundsätzlichen Verpflichtung könnte § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes unvereinbar sein, weil der sachliche Grund in Ziffer 7 nur dem öffentlichen Dienst offen steht. In der Privatwirtschaft dagegen ist die Regelung nicht anwendbar. In der Vergangenheit hielt das BAG die Bevorzugung öffentlicher Arbeitgeber gerechtfertigt, weil diese anders als private Arbeitgeber nur Verpflichtungen eingehen dürfen, die haushaltsrechtlich gedeckt sind  (BAG, Urteil vom 14.02.2007 – 7 AZR 193/06). Dem höchsten deutschen Arbeitsgericht sind nun aber offenbar Zweifel gekommen, ob aufgrund der oben genannten Richtlinie die Auffassung noch weiter Bestand haben soll.

Bereits jetzt restriktive Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 TzBfG

Der in § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 genannte sachliche Grund wird bereits jetzt vom BAG sehr restriktiv angewendet. So hält es das BAG zum Beispiel für erforderlich,  dass die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die befristete Beschäftigung mit einer erkennbaren Zwecksetzung für eine Aufgabe von nur vorübergehender Dauer gegeben ist (BAG 2. 9. 2009 – 7 AZR 162/08).

Wichtig: 3-wöchige Klagefrist

Für viele Arbeitnehmer deren aus haushaltsrechtlichen Gründen befristete Arbeitsverträge auslaufen, kann es ratsam sein, eine Entfristungsklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. Die Arbeitsgerichte werden eine solche Klage derzeit grundsätzlich nicht sofort abweisen. Liegen nämlich die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht vor, ist der Klage stattzugeben (d.h., das Gericht stellt fest, dass der Arbeitsvertrag über das Fristende hinaus fortbesteht), liegen sie dagegen vor, wird das Gericht das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen. Betroffene Arbeitnehmer müssen jedoch schnell entscheiden, ob sie Klage erheben wollen. Gemäß § 17 TzBfG gilt die Befristung nämlich als zulässig, wenn nicht innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage erhoben worden ist.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg

Wird in einem Aufhebungsvertrag zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart, dass der Arbeitnehmer unter Weiterzahlung des Arbeitsentgelts bis zum Aufhebungstermin unwiderruflich freigestellt wird, kann dennoch für die Zeit der Freistellung ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegen, so das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 24.09.2008 – B 12 KR 22/07 R.

Damit beendete das BSG die bisher bestehende Unsicherheit, die durch Veröffentlichung des Besprechungsergebnisses der Spitzenverbände der Krankenkassen, dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit zur Frage des Wegfalls des beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses im Falle der einvernehmlichen und unwiderruflichen Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung am 05./06.07.2005 entstanden ist. Die Organisationen vertraten nämlich die Ansicht, dass – anders als bei einer widerruflichen Freistellung – durch eine unwiderrufliche Freistellung das für eine Beschäftigung erforderliche persönliche Abhängigkeitsverhältnis der Arbeitsparteien außer Kraft gesetzt würde und dadurch eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV entfiele. Dem stünde nicht entgegen, dass dem Arbeitnehmer bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses sein Arbeitsentgelt weiter gezahlt wird.

Das BSG dagegen entschied in seinem oben genannten Urteil, dass die Annahme einer Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinn auch dann möglich sei, wenn die Freistellung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Denn auch in diesem Falle bestehe der Arbeitsvertrag fort und solle nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien mit den jeweiligen Pflichten – jedenfalls zeitlich begrenzt – grundsätzlich fortbestehen. Das sozialversicherungsrechtliche Schutzbedürfnis sei bei einer unwiderruflichen Freistellung nicht geringer als bei tatsächlicher Erfüllung der arbeitsrechtlichen Hauptpflicht des Arbeitnehmers und dem rechtlich unmittelbar hierdurch begründeten Erwerb von Entgeltansprüchen. Ebenso finde die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und dessen Eingliederung in einen ihm vorgegebenen Arbeitsablauf auch in einer derartigen Lage noch hinreichend Ausdruck und sei hier nicht etwa stärker reduziert als in sonstigen Fällen der fortbestehenden Beschäftigung bei unterbrochener Arbeitsleistung. Voraussetzung für die Annahme einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV sei jedoch, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt weiter zahlt.

Zu unterscheiden ist die Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinn von einer Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn nach §§ 119, 144 SGB III. Dort beginnt die Sperrzeit für das Arbeitslosengeld tatsächlich mit Beginn einer unwiderruflich vereinbarten Freistellung.

Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg