Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) hat der Arbeitnehmer die Elternzeit vom Arbeitgeber schriftlich zu verlangen und gleichzeitig zu erklären, für welche Zeiten er „innerhalb von zwei Jahren“ Elternzeit nehmen will. Diese Anforderung ist so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer bei der ersten Inanspruchnahme mindestens den Zweijahreszeitraum abdecken muss. Das trägt dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter 2 Jahren zurück, kann der Arbeitnehmer gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 eine Verlängerung der Elternzeit grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen (vgl. hierzu auch den Beitrag „Verlängerung der Elternzeit – Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich“). Gegen den Willen des Arbeitgebers ist eine Verlängerung der Elternzeit bei der oben genannten Fallgestaltung nur möglich, „wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann“, § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG.
Arbeitgeber muss Entscheidung nach „billigem Ermessen“ treffen
In seinem Urteil vom 18.10.2011 (Az. 9 AZR 315/10) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Zustimmung des Arbeitgebers nicht in dessen freien Belieben steht. Vielmehr hat der Arbeitgeber entsprechend § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob er die zur Verlängerung der Elternzeit nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG erforderliche Zustimmung erteilt. Im Gesetz ist nicht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Zustimmung verweigern darf oder erteilen muss. In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg daraus in seinem Urteil vom 14.10.2010 (Az. 10 Sa 59/09) geschlossen, dass der Arbeitgeber bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs in seiner Entscheidung frei sei, ob er der Verlängerung zustimme. Dieser Auffassung widersprach der 9. Senat des BAG. Wenn ein Gesetz die im Interesse der Eltern notwendige Flexibilisierung der Elternzeit im Einzelfall von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht, dürfe ohne konkrete Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes nicht angenommen werden, die Entscheidung über die Zustimmung stehe im freien Belieben des Arbeitgebers. Aus der Gesetzesbegründung folge zudem, dass der Gesetzgeber mit dem Zustimmungserfordernis lediglich deutlich machen wollte, es solle kein einseitiger Anspruch auf Verlängerung bestehen. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, seine für die in Anspruch genommene Elternzeit getroffenen Dispositionen aufrecht erhalten zu können, sollen einem vorbehaltlosen Rechtsanspruch entgegenstehen. Damit werde deutlich, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, mit dem Zustimmungserfordernis einen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gewährleisten. Dieser werde nur bei entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB ermöglicht. Danach solle der Arbeitgeber durch die Ausübung der ihm vorbehaltenen Zustimmung nach billigem Ermessen darüber entscheiden können, ob die Elternzeit verlängert wird oder nicht.
Empfehlung
Arbeitnehmer, die sich zunächst auf eine Elternzeit von unter 2 Jahren festgelegt haben und die Elternzeit nachträglich verlängern wollen, sollten zunächst prüfen, ob eine Verlängerung ohne Zustimmung des Arbeitgebers gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG verlangt werden kann. Das ist der Fall, wenn die anspruchsberechtigten Eltern einen gegenseitigen Wechsel in den Elternzeiten vorgesehen hatten, der sich plötzlich nicht mehr verwirklichen lässt. Ist ein Fall des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nicht gegeben und versagt der Arbeitgeber berechtigterweise seine Zustimmung, kommt der Arbeitnehmer bei Nichtaufnahme der Tätigkeit nach Ablauf der ursprünglichen Elternzeit in Schuldnerverzug. Er genießt zudem nicht länger den besonderen Kündigungsschutz des § 18 BEEG. Hat der Arbeitgeber dagegen seine Zustimmung ermessensfehlerhaft verweigert, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch vor dem zuständigen Arbeitsgericht geltend machen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nicht die Feststellung verlangt werden kann, dass dem Arbeitnehmer über den ursprünglich bestimmten Zeitpunkt hinaus Elternzeit zustehe. Richtig ist es vielmehr, beim Arbeitsgericht zu beantragen, den Arbeitgeber zu verurteilen, die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit zu erklären.
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Jan Zülch, Rechtsanwalt für betriebliche Altersversorgung und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg / Lüneburg