Bisher wurden Betriebsrenten vollumfänglich auf die staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt sowie auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angerechnet. Gemäß dem zum 1.1.2018 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) wird die Anrechnung nun eingeschränkt.
Bisherige Anrechnung hielt Geringverdiener von bAV ab
Die vollumfängliche Anrechnung von Betriebsrenten auf die Grundsicherung hielt Geringverdiener oftmals davon ab, Entgelt zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln. Auch wenn der Arbeitgeber dem gering verdienenden Arbeitnehmer die Wahl zwischen einer Gehaltserhöhung und einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung gibt, entschied sich der Arbeitnehmer oftmals nicht zuletzt wegen der Anrechnung der späteren Betriebsrente auf die von ihm – möglicherweise zu Unrecht – erwartete Grundsicherung für die Gehaltserhöhung und gegen die betriebliche Altersversorgung.
Änderung gemäß dem Betriebsrentenstärkungsgesetz
Gemäß dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wird nun Einkommen aus zusätzlicher betrieblicher Altersversorgung zumindest zum Teil nicht mehr angerechnet. Nach § 82 Abs. 4 SGB XII-neu bleibt Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge bis zu einem absoluten, nicht dynamischen Sockelbetrag in Höhe von 100 Euro monatlich vollständig anrechnungsfrei. Über 100 Euro hinausgehende Betriebsrente bleibt gemäß der Neuregelung zu 30 % anrechnungsfrei. Insgesamt darf der Freibetrag jedoch gemäß § 82 Abs. 4 Hs. 2 SGB XII-neu 50 % der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII nicht überschreiten. Derzeit (im Jahr 2018) liegt die Regelbedarfsstufe 1 bei 416 Euro im Monat.
Beispiel 1: Der Betriebsrentner A erhält eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 300 Euro. Hiervon bleiben gemäß der Neuregelung 100 Euro vollständig anrechnungsfrei. Die weiteren 200 Euro bleiben zu 30 % anrechnungsfrei. Insgesamt bleiben folglich 160 Euro anrechnungsfrei, 140 Euro werden dagegen auf die staatliche Grundsicherung angerechnet.
Beispiel 2: Der Betriebsrentner B erhält eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 500 Euro. Hiervon bleiben 100 Euro vollständig anrechnungsfrei. 30% der weiteren 400 Euro ergeben 120 Euro. Zusammen mit dem Sockelbetrag wird der in § 82 Abs. 4 Hs. 2 SGB XII-neu bestimmte Höchstbetrag damit bei der derzeitiger geltender Regelbedarfsstufe 1 überschritten. Unter Berücksichtigung einer Regelbedarfsstufe 1 von 416 Euro im Monat bleiben von der Betriebsrente des B folglich 208,00 Euro anrechnungsfrei. 292,00 Euro werden dagegen auf die staatliche Grundsicherung angerechnet.
Einkommen aus zusätzlicher Altersvorsorge
Die Anrechnungsfreiheit gemäß § 82 IV SGB XII-neu gilt nur bei Einkommen aus zusätzlicher Altersversorgung. Gemäß § 82 V 1 SGB XII-neu müssen für die Annahme eines Einkommens aus zusätzlicher Altersvorsoge folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Zahlungen müssen monatlich erfolgen.
- Die Zahlungen müssen lebenslang sein.
- Der Anspruch auf die Zahlungen muss vor Erreichen der Regelaltersgrenze gemäß §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erworben worden sein.
- Der Anspruch auf die Zahlungen muss auf freiwilliger Grundlage erworben worden sein.
- Die Zahlungen müssen dazu bestimmt und geeignet sein, die Einkommenssituation des Leistungsberechtigten zu verbessern und zwar im Vergleich zu möglichen Ansprüchen
- aus Zeiten einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach §§ 1-4 SGB VI,
- nach § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte,
- aus beamtenrechtlichen Versorgungsansprüchen,
- aus einer berufsständischen Versorgung.
Gemäß § 82 Abs. 5 Satz 2 SGB XII neu gelten als Einkommen aus einer zusätzlichen Altersversorgung insbesondere Betriebsrenten, Riester-Renten und Rürup-Renten (Basisrenten). Darüber hinaus kommen jedoch auch noch andere Zahlungen als Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge in Betracht. Zu denken ist insbesondere an lebenslange Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung soweit sie auf freiwilligen Beiträgen beruhen.
Fazit
Die vollumfängliche Anrechnung von Betriebsrenten auf die staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt sowie auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist schon lange Zeit zu Recht als unangemessenes Hindernis für betriebliche Altersversorgung von Geringverdienern kritisiert worden. Durch die vorgesehenen Freibeträge hat der Gesetzgeber dieses Hindernis zumindest teilweise abgebaut. Ob es dafür ausreicht, dass gering verdienenden Arbeitnehmern ihre Vorbehalte gegen eine Entgeltumwandlung zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung aufzugeben, bleibt abzuwarten.
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Rechtsanwalt Jan Zülch, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Spezialist für betriebliche Altersversorgung, Hamburg, Lüneburg
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