Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Leistungen aus einem Direktversicherungsvertrag nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung unterliegen, soweit sie auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Einnahme der Stellung des Versicherungsnehmers auf den Lebensversicherungsvertrag eingezahlt hat (Beschluss vom 28.09.2010 – 1 BvR 1660/08).

Beitragspflicht von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung

Während Leistungen aus einer privaten Lebensversicherung bei pflichtversicherten Mitgliedern der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) keiner Beitragspflicht unterliegen, sind gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 SGB V Renten und einmalige Kapitalleistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung (z.B. aus einer Direktversicherung oder einer Pensionskasse) beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung. Nach der von den Spitzenverbänden der Krankenkassen bisher vertretenen Ansicht bezieht sich die Beitragspflicht auf die gesamte Versorgungsleistung auch dann, wenn der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber ausgeschieden ist und den der betrieblichen Altersversorgung zugrunde liegenden Direktversicherungsvertrag oder Pensionskassenvertrag privat weitergeführt hat. Diese Ansicht wurde bisher auch von den Sozialgerichten geteilt,  vom Bundessozialgericht zuletzt mit Urteil vom 12.12.2007 (Az. B 12 KR 2/07).

Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht

Gegen die Vorgehensweise der Krankenkassen wehrte sich ein mittlerweile 68-jähriger Rentner und legte Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Ihm war von seinem früheren Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung zugesagt worden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses führte er den Versicherungsvertrag privat fort, dh. er übernahm die Versicherungsnehmereigenschaft von seinem früheren Arbeitgeber. Zum 01.05.2004 wurden die Versicherungsleistungen fällig. Dem Rentner wurde  eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von 67.443,51 Euro ausgezahlt. Der hiervon durch die Prämienzahlung seines ehemaligen Arbeitgebers erwirtschaftete Teil betrug 18.803,90 Euro. Mit Bescheid vom 17.06.2004 stellte die Krankenkasse fest, dass nicht lediglich die 18.803,90 Euro, sondern der Gesamtbetrag der Beitragspflicht unterliege. Dies waren gemäß der Berechnungsregelung in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V und den geltenden Beitragssätzen monatlich 86,55 Euro. Der Widerspruch und die Klageverfahren des Beschwerdeführers vor den Sozialgerichten blieben erfolglos.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

In seinem Beschluss vom 28.09.2010 (Az. 1 BvR 1660/08) führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem verbiete, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Letzteres könne angenommen werden, wenn die Typisierung als Leistung der betriebliche Altersversorgung i.S.v. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auf die Fälle ausdehnt werde, in denen Einzahlungen des Arbeitnehmers auf Kapitallebensversicherungsverträge vorgenommen wurden, welche den Begriffsmerkmalen des Betriebsrentenrechts nicht entsprechen und sich in keiner Weise mehr von Einzahlungen auf private Kapitallebensversicherungsverträge unterscheiden. Genau dies sei der Fall, wenn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Beiträge auf eine frühere Direktversicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers allein von ihm gezahlt werden.

Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer

Anders liege der Fall so das Bundesverfassungsgericht in seiner ebenfalls am 28.09.2010 getroffenen Parallelentscheidung (1 BvR 739/08), wenn der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen zwar die Beiträge auf die Direktversicherung weiterzahlt, der Arbeitgeber jedoch die Direktversicherung als Versicherungsnehmer und damit innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentengesetzes fortführt. Für das Entfallen der Beitragspflichtigkeit ist es folglich zwingend erforderlich, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Versicherungsnehmer geworden ist.

Beitragspflicht eines privat fortgeführten Pensionskassenvertrages

Auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08) vertrat das Bundessozialgericht noch die Auffassung, die gesamte Leistung aus einem nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem Privatvermögen des Arbeitnehmers weiter besparten Versicherungsvertrag sei beitragspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, sofern der Versicherungsvertrag mit einer Pensionskasse geschlossen worden sei (BSG-Urteil vom 23.07.2014 – B 12 KR 25/12 R). Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings wie im Fall eines privat fortgeführten Direktversicherungsvertrages entschieden: Leistungen einer Pensionskasse unterliegen nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung,  s o w e i t  sie auf den Beiträgen beruhen, die der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einnahme der Stellung des Versicherungsnehmers auf Versicherungsvertrag bei der Pensionskasse eingezahlt hat (Beschlüsse des BVerfG vom 27.06.2018, Az. 1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15 und vom 09.07.2018, Az. 1 BvL 2/18).

Empfehlung

Wer nach Beendigung eines Arbeitvertrages den von seinem früheren Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherungsvertrag  privat, dh. in der Stellung des Versicherungsnehmers fortgeführt hat, muss nur diejenigen Leistungen verbeitragen, die durch die Prämienzahlung seines ehemaligen Arbeitgebers erwirtschaftet wurden. Unerheblich ist, ob es sich bei der früheren Direktversicherungszusage um eine arbeitgeberfinanzierte oder eine arbeitnehmerfinanzierte (durch Entgeltumwandlung) betriebliche Altersversorgung handelte. Bei privat fortgeführten Pensionskassenverträgen gelten die beiden vorstehenden Sätze entsprechend.

In der Vergangenheit zu viel gezahlte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge können von der Krankenkasse zurück verlangt werden. Allerdings ist hierbei die 4-jährige Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 SGB IV zu beachten. Bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche unterstützen wir Sie gerne. Melden Sie sich einfach telefonisch oder per E-Mail.

Jan Zülch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Spezialist für betriebliche Altersversorgung, Hamburg / Lüneburg

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