Im Zusammenhang mit der Elternzeit nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) ergeben sich zahlreiche rechtliche Fragen. Im Folgenden werden Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Elternzeit gegeben.
1. Wer hat Anspruch auf Elternzeit?
Anspruch auf Elternzeit können haben:
- Arbeitnehmer*,
- die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten sowie
- Heimarbeiter und die ihnen Gleichgestellten.
Voraussetzung ist die Betreuung und Erziehung eines im selben Haushalt lebenden Kindes. Bei dem Kind muss es sich nicht zwingend um das leibliche oder angenommene Kind handeln. Vielmehr kann der Anspruch auf Elternzeit z.B. auch bei Betreuung und Erziehung des Kindes vom Ehe- oder Lebenspartner und von Pflegekindern bestehen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Elternzeit auch für die im Haushalt lebenden Enkelkinder verlangt werden.
2. Wann muss der Arbeitnehmer die Elternzeit gegenüber seinem Arbeitgeber spätestens verlangen?
Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG muss die Elternzeit spätestens 7 Wochen vor ihrem Beginn vom Arbeitgeber verlangt werden. Im Rahmen der gegenüber dem Arbeitgeber abzugebenden Erklärung hat der Arbeitnehmer darüber hinaus anzugeben, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren die Elternzeit genommen wird. Wird die Elternzeit von einer Mutter unmittelbar im Anschluss an die nachgeburtliche Schutzfrist beansprucht, wird die Zeit der Mutterschutzfrist (in der Regel 8 Wochen) auf den vorgenannten 2-Jahres-Zeitraum angerechnet.
Hierzu ein Beispiel: Die Arbeitnehmerin entbindet ihr Kind am Montag, den 02.03.2015. Der Mutterschutz nach § 6 Abs. 1 MuSchG beginnt am Dienstag, den 03.03.2015 und endet am Montag, den 27.04.2015. Möchte die Arbeitnehmerin unmittelbar nach Ende des Mutterschutzes in Elternzeit zu gehen, beginnt die Elternzeit folglich am Dienstag, den 28.04.2015 (das erste Elternzeitjahr endet jedoch bereits mit Ablauf des 01.03.2016). Fristgemäß verlangt hat die Arbeitnehmerin die Elternzeit vom Arbeitgeber, wenn diesem die entsprechende Erklärung spätestens am Dienstag, den 10.03.2015 zugegangen ist.
3. Muss die Erklärung an den Arbeitgeber schriftlich erfolgen oder kann die Elternzeit auch anderweitig verlangt werden?
Die Erklärung über die Inanspruchnahme der Elternzeit hat zwingend schriftlich zu erfolgen. Die Schriftform ist in den §§ 126 ff. BGB geregelt. Eine Erklärung per Telefax ist nicht ausreichend. Eine E-Mail erfüllt nach § 126a BGB nur dann die Schriftform, wenn das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist.
4. Kann die Elternzeit verlängert werden?
Die Verlängerung der Elternzeit ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann der Arbeitnehmer die Verlängerung der Elternzeit ohne Einverständnis des Arbeitgebers verlangen. Ein „wichtiger Grund“ liegt z.B. vor, wenn die Betreuung des Kindes ohne die Verlängerung der Elternzeit nicht mehr gewährleistet werden kann. Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist die Frage, ob die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich ist, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf von ursprünglich beantragten zwei Jahren Elternzeit ein drittes Jahr Elternzeit in Anspruch nehmen will. Nach herrschender Meinung in der einschlägigen Fachliteratur und der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (z.B. Urteil des LAG Düsseldorf vom 24.01.2011 – 14 Sa 1399/10, Revision beim BAG unter dem Aktenzeichen 9 AZR 290/11 anhängig) ist für die Inanspruchnahme eines dritten Elternzeitjahres nach Ablauf der ursprünglich beantragten zwei Jahre Elternzeit die Zustimmung des Arbeitgebers nicht erforderlich.
5. Ist eine Verkürzung der Elternzeit möglich?
Grundsätzlich bedarf die vorzeitige Beendigung der Elternzeit der Zustimmung des Arbeitgebers. Beantragt der Arbeitnehmer die vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes oder in Fällen besonderer Härte (z.B. bei Eintritt einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung, Tod eines Elternteils oder eines Kindes der berechtigten Person oder die erheblich gefährdete wirtschaftliche Existenz der Eltern nach Inanspruchnahme der Elternzeit) kann der Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung nur dann ablehnen, wenn der Elternzeitverkürzung dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Lehnt der Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung der Elternzeit nicht form- und fristgerecht ab, wird die Elternzeit auf Grund der Gestaltungserklärung des Arbeitnehmers beendet. Das Einverständnis des Arbeitgebers muss dann also nicht eingeklagt werden.
Eine Arbeitnehmerin ist ohne Zustimmung des Arbeitgebers berechtigt, die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zur Inanspruchnahme der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 des MuSchG zu verlangen.
Dies ist betroffenen Arbeitnehmerinnen aus finanziellen Gründen dringend zu empfehlen. Andernfalls verzichten sie auf die Zahlung des Mutterschaftsgeldes bzw. des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in Höhe ihres Vollzeitgehalts über einen Zeitraum von rund 14 Wochen. Für den Arbeitgeber ist die Rückkehr der Arbeitnehmerin für die Zeiten der Schutzfristen kostenneutral, da sie den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von den gesetzlichen Krankenversicherungen vollständig erstattet bekommen.
6. Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während der Elternzeit kündigen?
Während der Elternzeit sowie 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit, sofern die Elternzeit bereits verlangt worden ist, besteht ein Kündigungsverbot (§ 18 BEEG). In besonderen Fällen kann jedoch ausnahmsweise eine Kündigung durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle für zulässig erklärt werden (zuständig ist in Hamburg die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, in Niedersachsen das je nach genauem Standort des Betriebes zuständige Gewerbeaufsichtsamt und in Schleswig-Holstein das Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit). Die im Folgenden beispielhaft aufgeführten außergewöhnlichen Umstände können einen besonderen Fall im Sinne des § 18 BEEG darstellen:
- Betriebsschließung
- Abteilungsschließung
- Betriebsverlagerung
- Existenzgefährdung des Betriebes bei Zwang zur Beschäftigung nach Ende des Erziehungsurlaubs
- besonders schwere Vertragsverstöße/strafbare Handlungen
7. Hat der Arbeitnehmer während der Elternzeit Anspruch auf Urlaub?
Zwar entsteht auch während der Elternzeit Anspruch auf Erholungsurlaub. Der Arbeitgeber kann den Urlaub jedoch gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die Kürzung kann auch rückwirkend zum Zeitpunkt der Entstehung des Urlaubsanspruch erklärt werden (LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.09.2014 – Az. 15 Sa 533/14). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann die Kürzungserklärung jedoch nicht mehr abgegeben werden (BAG-Urteil vom 19.05.2015 – 9 AZR 725/13).
8. Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber in Teilzeit zu arbeiten?
Der Arbeitnehmer hat unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, bei seinem Arbeitgeber während der Elternzeit in einem Umfang von 15 bis 30 Wochenstunden beschäftigt zu werden. Diesbezüglich kann auf unseren Artikel „Der Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit“ verwiesen werden.
9. Darf der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei einem anderen Arbeitgeber arbeiten?
Der Arbeitnehmer kann während der Elternzeit mit Zustimmung des Arbeitgebers eine Teilzeittätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Hierbei darf der Umfang der Tätigkeit durchschnittlich 30 Wochenstunden nicht übersteigen. Bei dem beim Arbeitgeber zu stellenden Antrag auf Zustimmung hat der Arbeitnehmer konkret zu beschreiben, welchen Inhalt die Teilzeittätigkeit im Einzelnen hat und in welchem Umfang sie ausgeübt werden soll. Der Arbeitgeber kann den Antrag auf Zustimmung nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Dringende betriebliche Gründe können z.B. Geheimhaltungs- und Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers oder der Bedarf an Arbeitskraft des Berechtigten im eigenen Unternehmen sein. Hat der Arbeitgeber seine Zustimmung nach Antragstellung durch den Arbeitnehmer innerhalb der 4-Wochen-Frist nicht schriftlich verweigert, darf der Arbeitnehmer die Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bzw. die selbstständige Tätigkeit auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers aufnehmen.
10. Kann der Arbeitnehmer während der Elternzeit das Arbeitsverhältnis wirksam kündigen?
Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis auch während der Elternzeit kündigen. Hierbei hat er die für ihn geltenden Kündigungsfristen zu beachten. Kündigt der Arbeitnehmer allerdings zum Ende der Elternzeit gilt gemäß § 19 BEEG eine maximale Kündigungsfrist von drei Monaten (zum Ende der Elternzeit). Unabhängig von § 19 BEEG können die Parteien allerdings das Arbeitsverhältnis durch schriftlichen Aufhebungsvertrag ohne Beachtung von Fristen beenden.
Sofern Sie Fragen zur Elternzeit haben, unterstützen wir Sie gerne. Sprechen Sie uns einfach an oder schreiben uns eine E-Mail.
Jan Zülch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg/Lüneburg
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel auf geschlechtsspezifische Doppelnennungen verzichtet.
Hinweis: Durch das „Gesetz zur Einführung des Elterngeld plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit“ soll die Elternzeit variabler gestaltet werden können. Insbesondere können nach der zum 01.01.2015 erfolgten Gesetzesänderung Eltern zukünftig Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers auch für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahres des Kindes in Anspruch nehmen. Darüber hinaus kann zukünftig jeder Elternteil seine Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers auf drei Zeitabschnitte verteilen. Die die Elternzeit betreffenden Änderungen gelten jedoch nicht für vor dem 01.07.2015 geborene Kinder. Daher wird das „Gesetz zur Einführung des Elterngeld plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit“ bei diesem Artikel nicht berücksichtigt.
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